Architektur kommuniziert immer - machen wir es sichtbar!
Architektur kommuniziert immer. Doch nicht immer ist dies für alle sichtbar oder verständlich. Deswegen brauchen wir Architekturkommunikation. Was genau ist Architekturkommunikation? Sie verbindet Bedürfnisse mit Raumwirkung, übersetzt Fachsprache in Verständlichkeit und schafft Orientierung im Prozess des Planens und Bewertens. Dieser Beitrag fasst zusammen, was gute Architekturkommunikation leisten kann: sichtbar machen, was geschieht - und was geschehen soll.
Zwischen Mensch und Raum: Wie Architekturkommunikation das Unsichtbare sichtbar macht
Architekturkommunikation beschreibt Gebäude und die Geschichten, die im Kontext dieser Gebäude entstehen. Dabei umfasst sie den Austausch unterschiedlicher Notwendigkeiten: zwischen individueller Wahrnehmung und Bedürfnissen einerseits sowie rechtlichen Anforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen andererseits. Sie hilft dabei, Prozesse und Vorgänge unterschiedlicher Disziplinen zu vermitteln. Sie macht sichtbar, was zwischen Mensch und Raum geschieht. Sie schreibt über, berichtet von, visualisiert, fasst zusammen, vereinfacht, zieht Verbindungen und Rückschlüsse. So kann sie ein Bindeglied zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen sein. Sie kann Dinge auf den Punkt bringen, Verbindungen herstellen und diese sichtbar machen.
Architekturkommunikation bedeutet beobachten, einfühlen, sprechen, schreiben, zeichnen und fotografieren. Sie versucht zu verstehen. Und zu vermitteln.
Architekturkommunikation macht sichtbar, was geschieht oder angestrebt wird.
Werkzeuge der Architekturkommunikation: Vom Stift bis zum digitalen Modell
Architektur sind nicht nur gebaute Räume zum Anfassen, sondern auch der Raum, der zwischen Mensch und gebauter Umwelt entsteht. Architekturkommunikation beschreibt nicht allein die gebauten Räume, sondern macht auch die unsichtbaren Räume sichtbar. Sie verwendet dafür ihre eigenen Werkzeuge: geschriebener Text, gesprochener Text, Fotos, Grafiken, Zeichnungen, Pläne, Videos, Audio-Dateien. Miroboards, Conceptboards, Whiteboards, Flipcharts, Skizzenpapier. Physische Modelle – vom Städtebaumodell bis zum konstruktiven 1:1-Modell – und digitale Modelle (SketchUp, Revit, Vectorworks, Allplan etc.) sind erlaubt und werden genutzt, um Ideen, Vorstellungen und Emotionen sichtbar zu machen.
Was gute Architekturkommunikation braucht
Mit Stift, Maus, Wort, Bild, Ton und Video gelingt ein Dialog zwischen der Wirkung von Architektur und den menschlichen Bedürfnissen sowie der individuellen Wahrnehmung und Vorstellung. Dieser Prozess muss begleitet werden. Er beginnt vor dem Raumprogramm und hört nicht an der Außenwand auf. Dieser Prozess stellt weitere Anforderungen an uns Planende, denn es genügt nicht, ein Zeichenprogramm zu beherrschen. Zwischen dem Werkzeug und dem Raum steht der Mensch. Damit Kommunikation das erreicht, was bezweckt wird, muss sie zielgruppengerecht, intuitiv und klar sein:
Zielgruppengerecht: Wer ist meine Zielgruppe? Wie kommuniziert sie? - Welches Vorwissen hat sie? Habe ich mehrere Zielgruppen? Wenn ja, muss ich eine Sprache finden, die alle erreicht, oder muss ich verschiedene Sprachen verwenden? Welche Kanäle eignen sich? Sind die verwendeten Symbole, Abkürzungen und Begriffe allen bekannt? Eher zu viel erklären als zu wenig.
Intuitiv: Stimmen das Ge- und Versprochene mit dem Offensichtlichen überein? Wenn der größere Kreis den kleineren Raum darstellt, ist das schwierig. Intuitive Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit unterstützen den Prozess der Wahrnehmung. Wenn das, was wahrgenommen wird, nicht dem entspricht, was beschrieben wird, entsteht eine emotionale Dissonanz, die irritiert und distanziert. Das bedeutet, dass wir bei jeder Visualisierung – wie auch bei jedem Wort – reflektieren sollten, ob sie unsere gewünschte Aussage widerspiegelt.
Klar: Architekturkommunikation kann objektiv oder subjektiv sein – je nach Kontext. Es ist gut, wenn klar ist, wann objektiv kommuniziert wird und wann wir von unseren eigenen Annahmen gefangen, beeinflusst oder voreingenommen sind (sofern uns das überhaupt bewusst ist). Besonders in Gesprächen mit anderen sind wir oftmals voreingenommen, ohne dass uns das bewusst ist. Sobald wir uns dessen bewusst sind, entsteht mehr Klarheit im Miteinander.
Projektbeispiel “Universal Privacy Room”
In der Studie der TH OWL wurden sich verändernde Raumbedarfe und -bedürfnisse über den Lebenszyklus hinweg untersucht. Als Methode wurde mit Personas gearbeitet.
Architekten kommunizieren permanent. Das ist in anderen Berufsgruppen nicht anders, aber wir haben einen besonders großen Werkzeugkasten für unsere Kommunikation, weil wir neben Texten und Tabellen auch sehr viel bildlastiges Material verwenden können.
Auf welchen Kanälen Architektur erzählt wird
Da wir häufig in Situationen sind, in denen wir zwischen Menschen und Systemen vermitteln, werden besondere Anforderungen an unsere Kommunikationsfähigkeit gestellt. „Die Sprache des Architekten ist die Zeichnung“, hieß es damals im Studium. Das ist zwar richtig, aber damit ist es nicht getan. Wir brauchen mehr.
Neben der Vielzahl an Instrumenten gibt es mittlerweile auch eine Vielzahl von Kanälen, auf denen über Architektur kommuniziert werden kann: Dazu gehören Webseiten, Fachzeitschriften, Workshops, Nutzergruppen/Fokusgruppen, Social-Media-Formate wie LinkedIn, Instagram oder Pinterest, Newsletter, Filme (Dokumentarfilme und Spielfilme), Bücher (Fachbücher, Romane und Kurzgeschichten) sowie Blogs.
Vor und nach der Planung: Warum Kommunikation hier besonders wirkt
Der Entstehungsprozess von Gebäuden wird klassischerweise anhand der Leistungsphasen (LPH) der HOAI beschrieben. Dieser reicht von der Grundlagenermittlung (LPH 1) über die Entwurfsplanung (LPH 3) und die Ausführungsplanung (LPH 5) bis hin zur Bauausführung und Objektbetreuung (LPH 8 und 9). In diesen Phasen ist die Architekturzeichnung in unterschiedlichen Maßstäben das zentrale Werkzeug. Je nach Schwerpunkt sieht die Zeichnung anders aus: Der Freiraumplan unterscheidet sich vom Entwässerungsplan oder den Plänen der Schlitz- und Durchbruchsplanung. Hier kommen viele Mittel der digitalen, zweidimensionalen und dreidimensionalen Softwareprogramme zum Einsatz.
Architekturkommunikation ist jedoch mehr: In den sehr frühen Phasen – noch vor Beginn der Grundlagenermittlung – steht die Ermittlung des Bedarfs im Vordergrund. Dieser Prozess wird oft als „Leistungsphase Null“ bezeichnet. Hierbei wird ermittelt, was benötigt wird, welche Ziele das Gebäude hat, wer die Nutzer sind und wo sie sich im und am Gebäude aufhalten. In diesen Phasen eignen sich moderierte Workshops sehr gut, in denen die richtigen Fragen gestellt und die Antworten sichtbar gemacht werden. So nähert man sich im gemeinsamen Prozess aus Fragen, Antworten, Diskussionen, Infragestellungen und Nachfragen dem an, was die Gebäude irgendwann leisten sollen.
Projektbeispiel: Nieder mit den Häkeldeckchen
In einem meiner Projekte ging es darum, die Wohnbedürfnisse von Menschen über 65 Jahren zu ermitteln, um daraus Konzepte und Anforderungen an zeitgemäßes, altersorientiertes Wohnen zu entwickeln.
Schon der Titel des Workshops „Nieder mit den Häkeldeckchen“ sollte Aufmerksamkeit wecken, um möglichst viele Freiwillige für die Teilnahme zu gewinnen – was auch geklappt hat. Während des Workshops wurde viel mit Bildmaterial gearbeitet, beispielsweise wurde der Einstieg über Mood-Karten gemacht, damit die Teilnehmenden das Visuelle und Beschreibende von Raummerkmalen trainieren. Ein anderes Mittel war das Mitbringen von Fotos der eigenen Lieblingsplätze, um den Fokus auf Architektur und Räume zu legen und das dahinterstehende Bedürfnis verbal zu artikulieren. Wenn die dahinterliegenden Bedürfnisse von uns Planenden erkannt werden, können wir dafür neue Formen entwickeln.
Das Sprechen über das, was gewünscht wird, klingt banal. Ist es aber nicht. Denn vielen Menschen ist nicht unbedingt bewusst, was sie wollen, sie brauchen Anregung für die Artikulierung oder ihre Wünsche sind fragmentarisch und fügen sich (noch) nicht zu einem Ganzen. Hier kann Architekturkommunikation helfen, aus den einzelnen Teilen ein Gesamtbild zu erstellen. Dies kann in der Leistungsphase Null geschehen, wobei Workshops und eine Vielzahl visueller Mittel als Werkzeuge des Transfers dienen.
Raumnutzung lesen: Was Post-Occupancy-Evaluationen leisten
Ein weiteres Feld der Architekturkommunikation ist die Evaluation von Gebäuden nach deren Inbetriebnahme. Hierfür gibt es unterschiedliche Begriffe wie „Post-Occupancy Evaluation (POE)“, „Building Performance Evaluation (BPE)“ oder „Benutzerbedarfsanalyse“ (User Needs Analysis, UNA). Die Analysen haben unterschiedliche Schwerpunkte. Zum Teil geht es beispielsweise darum, zu prüfen, ob der angestrebte Energieverbrauch den Erwartungen bei der Planung entspricht. In der Architekturkommunikation kann es besonders interessant sein, die Entwurfsabsicht mit der tatsächlichen Wirkung zu vergleichen. Dies wird häufig nicht durchgeführt, kann aber Aufschlüsse darüber liefern, ob die Ausprägungen von Gebäuden oder Stadt- und Freiräumen tatsächlich die gewünschten Effekte erzielen.
Wie wir Räume im Betrieb untersuchen – eine Vorher-Nachher-Perspektive
Im Rahmen des Projekts „Das funktionierende Krankenhaus“ führte ich eine Vorher-Nachher-Evaluation durch. Dazu verglich ich die ursprüngliche Planung von Notaufnahmen mit ihrer tatsächlichen Nutzung einige Jahre nach Inbetriebnahme. Dabei erfasste ich die Nutzung der einzelnen Räume, prüfte, ob es Änderungen bei den Zugänglichkeiten, Raumzuschnitten und Raumnutzungen gab, und sprach mit verschiedenen Nutzergruppen über ihre Erfahrungen und Wünsche. Zusätzlich beobachtete ich, wie die Räume abseits der offiziellen Bezeichnungen genutzt wurden: Was steht in den Fluren? Wo warten Menschen? Reichen die Warteplätze aus? Was machen Menschen, die liegend oder sitzend warten? Wie laut ist es? Wie ein „Geist“ bewegte ich mich mit Kamera, Tablet und Plänen durch die Räume, mal stehend, mal sitzend, mal gehend – immer beobachtend und dokumentierend. Die Ergebnisse können für zukünftige Planungen verwendet werden und wiederum in die Leistungsphase Null bzw. mindestens in die Leistungsphase 1 einfließen.
Durch den Einsatz eines breiten Spektrums an Methoden und Werkzeugen nähern wir uns forscherisch den Bedürfnissen und Bedarfen von Menschen an ihre gebaute Umwelt an und prüfen die Wirkung von Architektur. Damit schließen wir den „Design Circle“ und bauen eine Brücke zur Wissenschaft.
Die Leistungsphasen Null und Zehn schließen den Design Circle und verbinden Forschung und Praxis (© Julia Kirch)
Architekturkommunikation als Brücke zwischen Bedürfnissen, Raumwirkung und Gestaltung
Architekturkommunikation ist mehr als das Anfertigen einer Architekturzeichnung oder das Verfassen einer Projektbeschreibung für eine Fachzeitschrift. Sie kann und muss hinsichtlich Darstellung, Werkzeug und Methoden aus dem Vollen schöpfen – dabei ist sie stets vermittelnd und untersuchend. Ob Skizze, Bubble-Diagramm, Persona, Fotodokumentation oder Thinking-Aloud-Methode – die jeweilige Aufgabenstellung bestimmt die gewählte Methode und Darstellungstechnik.
Die Architekturkommunikation leistet dabei den Transfer vom menschlichen Bedürfnis zur Architektur und ihrer Wirkung. Digitale Tools, auch KI-Tools, erweitern das Repertoire und ermöglichen es, vieles bei räumlicher Distanz durchzuführen. Gleichzeitig gewinnen vielleicht das persönliche Gespräch, das Aufhalten in physischen Räumen und die sinnliche Bereicherung durch Materialien, Gerüche und Bewegung an Bedeutung. Welche Methode wir wann wählen, hängt vom jeweiligen Projekt ab. Ein großer eigener Erfahrungshorizont ist ebenso wie Kenntnisse architekturpsychologischer Forschung von Vorteil. Damit wir als Architekturplanende erfolgreich Transfer leisten können, sollten wir neugierig, wachsam und offen für die Welt bleiben!